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Mittwoch, 12. März 2014

Perspektiven und Geschichten um das Leben - Kapitel 5 – Die Zukunft in den Sand gesetzt?

Ich wusste also, dass etwas mit mir nicht stimmte. Dieses Geheimnis. Nun, zunächst hielt man mich augenscheinlich für dumm. Dümmer als andere Kinder. Einerseits, weil ich nicht lernte und andererseits, weil ich extrem faul war. Extrem ist nicht untertrieben. Selten war auch nur das Mindestmaß dabei. Heute weiß ich, dass ich damals unterfordert war.

Ja, es ist fast paradox. Ich begann die Semester in der Schule immer mit großem Optimismus und voller Elan. Ich fing an in schönster Form in die Hefte zu schreiben, jedoch verlor ich bald die Lust daran. Die Leistungen waren dementsprechend schlecht. Negative Noten en Masse. Ich konnte selten das tun, was mir wirklich Spaß machte. Das einzige Fach, das ich wirklich mochte war bildnerische Erziehung. Leider war mein Charakter in negativer Hinsicht omnipräsent und selbst dort stieß ich auf eher mittelmäßige Noten, obgleich mich mein Lehrer für extrem talentiert hielt. Ja, ich erinnere mich. Wir musste "halbe" Menschen ergänzen, Porträts. Meine beiden Porträts waren ein alter Herr und ein junges Kind, beinahe fotorealistisch. Das war damals das Einzige, das mir zeigte, dass ich doch nicht so unglaublich dumm war wie ich selbst hier und da angenommen hatte. Von Zeit zu Zeit schien es, als wäre mir alles egal, als wüsste ich nicht, was ich in den Sand setzte. Ich wurde stets in ein Muster gepusht und habe es wie die Pest gehasst. Aber die Zeit hat ja gezeigt, dass es besser werden kann.

Nun, nachdem Jahr für Jahr am Gymnasium verging wurde meiner Mutter und ihrem Freund wohl klar, dass ich es zu nichts brächte, obgleich ich aufsteigen konnte in die Oberstufe. Ich wechselte in eine Hauptschule (Anm. – keine schwere Schule, schließt nach diesem Jahr ab und es hat keine Oberstufe mehr. Ein Hauptschulabschluss gilt als mindestnötiger Abschluss um eine Lehre anzustreben). Dort konnte ich mich noch viel schwerer mit den Personen identifizieren, gar verstehen. Es wurde überall diskriminiert, es gab Schlägereien, eines Tages war sogar ein Bericht von einem Jungen, welcher einen anderen mit einem Messer bedroht hatte in einer Tageszeitung. Diese Zeit..ich verlor jegliche Umgangsform, jedoch schloss ich das Jahr einigermaßen passabel ab und mühte mich zum Teil sogar darum nicht der mieseste Schüler zu sein. Kurz, ich wusste nicht wo ich hin soll.

Ich bewarb mich also um Lehrstellen. Es war lächerlich, wie ich die Schriftstücke verfasst habe. Heute greife ich mir zigmal an den Kopf und denke mir – als Person, welche alle Normen perfekt beherrscht – was ich bloß für Bullshit im Kopf gehabt habe. Mir war wirklich alles egal geworden. Zusätzlich zu der Situation, dass ich keine Passionen hatte, brachte meine Mutter auch beinahe Jahr um Jahr ein Kind zur Welt. Die Belastung wuchs also. Zu meinem Glück bekam ich bald eine Zusage von einem großen System-Gastronomen, welcher global vorhanden ist. Jeder kennt ihn und hat sicherlich schon einmal dort gespeist. In den Staaten hat er sicherlich nicht mehr den besten Ruf.

Also, der letzte Sommer bevor ich zu arbeiten beginnen sollte. Ich kann mich nicht mehr groß daran erinnern, was ich tat. Ich war zu Hause und half meiner Mutter, welche schwanger war, denke ich. Ansonsten gab es viel Hausarbeit. Der Rasen musste gemäht werden, die Kinder versorgt, usw. In diesem Sommer war ich bei meinem Vater, denke ich. Sogar für lange Zeit. Lang in dem Zusammenhang, dass ich immer nur eine Woche bei ihm verbringen konnte und es damals an die 10 Tage waren. Wertvolle Zeit, die ich sicher nicht vergessen werde. Das war ein Refugium, in welches ich flüchten konnte. Der Heimflug war stets mit Trauer verbunden, Tränen flossen und ich war lange Zeit extrem verbittert. Mich zu reparieren vermochte damals niemand. Eine Freundin hätte für mein Alter – ich war damals gerade 17 – eigentlich normal sein sollen. So wie ich aussah, konnte ich nur davon träumen.

Mir blieb wenig Zeit, bis die Arbeit beginnen sollte. Eine Lehre also. Ich staunte nicht schlecht, als man mir sagte, dass ich künftig an jedem Wochentag arbeiten würde und dementsprechend wenig Freizeit haben werde. Ich freute mich sehr, als ich nach einer Woche der Mühe meinen ersten Lohn erhielt. Knappe € 600. Für mich sehr viel Geld, da ich sonst relativ wenig Taschengeld bekam. Die Kehrseite davon war, dass ich zuhause € 150 davon abgeben musste um Lebenskosten mitabzudecken. Und das immerhin ein Jahr lang. Genausolang, wie ich in der Lehre blieb. Die Zeit verging und ich lernte mit der Situation umzugehen. Sogar ein Mädchen lernte ich kennen, welches Interesse an mir hatte. Das war das erste Mal als ich erfuhr wie es sich anfühlte begehrt zu werden. Dieses Mädchen war unglücklich schwanger geworden und hatte wundervolle blaue Reh-Augen und eine zuckersüße Stimme. Lang hielt das Schöne nicht an. Sie sagte mir bald, dass sie von einem Typen schwanger sei und sie mich nicht mehr sehen könnte. Ich wollte damals natürlich nicht begreifen, was geschah. Traurig und deprimiert verzog ich mich in mein Schneckenhaus, so wie ich es heute noch manchmal tu. Was ich mir damals bloß gedacht habe, wo mich dieses Leben hinbrächte. Es war zum Kotzen. Keine Zukunft, keine Perspektive. Sollte ich mein Leben so verbringen?

Ich wusste, dass sich etwas ändern muss.

Montag, 3. März 2014

Perspektiven und Geschichten um das Leben - Kapitel 4 - Fragmente und "die Anderen"

Wie schon erwähnt war ich ein äußerst manipulatives Kind mit einem wirklich hässlichen Charakter. Sicher, ich erfreute mich an denselben Dingen wie gleichaltrige, bloß habe ich es damals sogar genossen zu sehen, wie Menschen für mich huschten. Ich war ein undankbares Kind. Müsste ich heute von mir sprechen würde ich wirklich keiner Mutter so ein unliebsames Kind wünschen. Ich heulte damals wegen jeder Kleinigkeit und jedem Müll. Es war so lächerlich.

Das Kontroverse, fast Paradoxe daran war, dass mein damals bester Freund aus einer streng gläubigen Familie kam. Dies heißt aber nicht, dass sie erzkonservativ waren. Eher modern, dennoch in ihren Ansichten eines religiösen Fundaments kundig, äußerst freundlich und weltoffen. Eine Familie, die man sich wünscht, wie aus dem Bilderbuch. Es funktioniert, Vater, Mutter und das Kind..alle glücklich, Tag um Tag. Sicher, die Probleme waren da. Dennoch, unscheinbar. Also, zurück zum Wesentlichen. Die Familie war sehr sparsam veranlagt –was wahrscheinlich auch auf den Glauben zurückzuführen ist oder war – und ich verstand damals die Ansichten meines Freundes nicht. Damals kam eine unglaublich vernünftige Aussage nach der anderen, finanziell betrachtet. Und das von einem 7-jährigen.

Ich bin dankbar für die Zeit, blicke mit Freuden darauf zurück. Oft verbrachten wir Tag um Tag miteinander, spielten mit Lego, sahen uns endlos oft die Star-Wars-Filme an, debattierten darüber was geschehen würde, wenn dies und jenes in der Welt geschähe. In unmittelbarer Nähe des Hauses gab es einen Wald und große Weiden in denen wir oft umherstreiften. Die Gemeinde, in welcher wir lebten, veranstaltete von Jahr zu Jahr einen Wandertag für die Bewohner. Obwohl wir die Routen kannten und die Wege uns bewusst waren, hatten wir es einst geschafft uns hoffnungslos zu verirren. Plötzlich war der Mut der beiden 9- und 10- jährigen Jungs gebrochen und es flossen Rotz und Wasser in Strömen. Die Erinnerungen sind unbezahlbar. Schlussendlich schafften wir es einen Bauernhof zu erreichen und, dass uns ein Jungbauer nach Hause brachte. Mir ist bis heute schleierhaft wie es möglich war, dass wir mehrere Kilometer (!) weit vom Weg abgekommen sind.
Nach dieser Zeit herrschte eine gewisse Dauer lang dann unangenehme Stille zwischen uns.

Also, zurück zum Kind das sich entwickeln sollte. Ich habe damals viel darauf geschoben, dass mein Vater nicht da war, es mir halt gefehlt hat. Es war einfach immer das Wissen da, dass da eigentlich (wie ich dieses Wort hasse!) jemand sein sollte. Oft habe ich nachts im Bett gelegen und Kassetten gehört. Winnie the Pooh, Rugrats, Film-Soundtracks und mehr. Es gab selten eine Nacht in der ich nicht überlegte, wie Dinge wären wenn jemand da wäre der sich irgendwo Zeit nimmt oder nehmen würde, quasi eine Funktion ersetzt. In diesen Nächten weinte ich so lange und verbittert. Ich glaube, dass es meinen Charakter geformt hat. Heute bin ich äußerst empathisch geworden.

Wie dem auch sei. Schlussendlich wurde es für mich Zeit eine andere Schule zu besuchen. Meine Mutter hatte ihren Job damals gekündigt, soweit ich mich erinnern kann und hatte von Zeit zu Zeit Männer zu Besuch. Oft waren da sehr amüsante dabei die versucht haben mit mir ein „Auskommen“ zu finden. Eher, mich zu erheitern und zu zeigen, dass sie freundlich sind.
Ich war damals schon ein Kind, das sich über alles viel zu viel Gedanken gemacht hat. Ich meine, wirklich schon krankhaft. Ich war immer verbittert, dass meine Mutter jetzt weniger Zeit für mich hatte. Es war pure Eifersucht, denke ich. Die Erinnerungen daran sind eher mager.
Zu einem späteren Zeitpunkt dann war es an der Zeit wieder zur Schule zu gehen. Bei uns im Ort natürlich. Also, eine Marktgemeinde mit vielen Familien die schon lange hier wohnten, andererseits neu zugezogene Bewohner aus Graz, da das Dorf viele Möglichkeiten bat und sich insbesondere wirtschaftlich gesehen bis heute, gut entwickelt hat. Mir fehlten die altbekannten Gesichter.

Wie schon erwähnt, wusste ich, dass ich ein schlechter Schüler sei. Und es stimmt. Ich meine, dass ich sehr wohl wusste, dass es kein Schweres war wie all‘ diese Streber zu glänzen. Wie ich diese Mentalität gehasst habe. Und immer belächelt zu werden, dass man dümmer als der Rest sei. Ich sage es so – hätte ich wollen, wäre ich besser als der Rest gewesen. Nein, im Ernst. Ich hatte bloß absolut keine Lust und keinen Anreiz dazu gut zu sein. Ich wusste, wenn ich mit irgendwas gelockt würde, wäre es eine Lüge oder bin zumindest davon ausgegangen.


Heute weiß ich, dass ich damals vielleicht einen Psychologen bzw. Psychiater mit meiner Mutter hätte aufsuchen sollen. Kein Wunder, dass ich mich damals so isoliert habe. Die Schäden reichen bis heute, werden mich mein Leben lang begleiten. Viele Personen die mir nahestehen, wissen nichts davon. Es ist ein dunkles Geheimnis das mich innerlich irgendwann zerfressen wird. 

Sonntag, 2. März 2014

Perspektiven und Geschichten um das Leben - Kapitel 3 - Das verzogene Kind

Vor ein paar Tagen erst hatte ich mit einer guten Freundin über die Vergangenheit geschrieben und mir schossen plötzlich die verschiedensten Dinge durch den Kopf. Dinge, die ich längst vergessen hatte oder gar verdrängt. Es ist schon seltsam, wie Manches mit der Zeit mehr und mehr Sinn ergibt, aus der richtigen Perspektive versteht sich. 

Ich war ein richtig verzogenes Kind, müsste ich mich selbst heute beurteilen. Ich war extrem verwöhnt was das Essen im Allgemeinen betrifft, habe hier und da Menschen belogen und damals sogar manipuliert und doch irgendwo ein schlechtes Gewissen gehabt. Ich war auch ein äußerst gieriges Kind das alles haben wollte und meistens auch bekam. Heute würde ich mich gerne bei einigen Menschen dafür entschuldigen, könnte ich. Mein Charakter war furchtbar, richtig asozial zum Teil. Das alles sollte sich aber ändern. 

In der Zeit in der ich bei meinen Großeltern lebte, war ein ein konzentrierter Lerner, wenn man das so nennen kann. Oft waren es Stunden die ich mit meinem Großvater am Tisch saß und lernte. Damals natürlich bei weitem nicht so viel wie heute vielleicht, aber dennoch extrem viel. Ich wusste auch für mein Alter mehr als die meisten Kinder. Ich konnte Politiker zweier großer österreichischer Parteien nennen, wer auf den Geldscheinen -damals noch Schilling- war, wusste um die Geschichte des Landes bestens bescheid und und und..ich weiß nicht ob das typisch für ein Kind war, aber wahrscheinlich auch der Grund warum ich kaum Freunde hatte zu der Zeit. 

Irgendwann begann dann die Zeit, in der man mehr für die Schule tun musste. Geschickt verschwieg ich meiner Großmutter alles Mögliche an Schulaufgaben und was es sonst noch gab. In der Schule selbst hatte ich die kreativsten Ausreden in petto. Ich habe die Aufgabe daheim vergessen, ich war nicht da und habe keine Telefonnummer von einem Klassenkollegen, wie konnte ich wissen was auf war, da war ich gerade auf der Toilette. Träfe mich heute jemand und führte ich mit besagter Person eine Konversation würde sie wahrscheinlich nicht denken, dass ich einst so war. Ich glaube, dass sich zu jener Zeit mein Charakter bloß noch zum Schlechteren entwickelt hatte.